Finnlands Schulsystem – das sind die Geheimnisse des Erfolges
Finnland und sein gutes Schulsystem, beides wird oft in einem Atemzug genannt. Du hast bestimmt davon gehört und dich vielleicht gefragt, warum es so gelobt wird? Die Gesamtschulen werden oft hervorgehoben, doch die sind nicht das einzige Geheimnis. Ich stelle dir vier Gründe vor, warum Finnlands Schulsystem ziemlich super ist.
Ich freue mich Gelerntes aus meinem Studium teilen zu können. In einem weiteren Artikel werde ich genauer auf die PISA Studien eingehen, die ich heute nur am Rande erwähne. Bleib also dran. 😉
Im Norden ist alles besser?!?
Finnland folgt dem nordischen Modell (nordic welfare states), die nordischen Länder machen vieles ähnlich und erscheinen immer wieder in unterschiedlichen Ranglisten weit oben. Kürzlich konnte man in der Rangliste der glücklichsten Länder, alle fünf nordischen Länder in den Top Zehn wiederfinden.
Schaut man sich die PISA Ergebnisse an, sticht Finnland heraus, warum ist das so? Bevor ich der Frage nachgehe, gebe ich einen Überblick auf das finnische Schulsystem:
- Vor Einschulung ein Jahr Vorschule (integriert in Kindergarten), keine Pflicht, besuchen aber eigentlich alle.
- Einschulung mit sieben Jahren, das Kalenderjahr ist entscheidend.
- Neun Jahre Gesamtschule für alle,
- davon sechs Jahre Grundschule „ala-aste“ in einer Klasse mit einem Klassenlehrer.
- Drei Jahre Mittelschule „yläaste“, Aufteilung in neue Klassen, meist neue Schule.
- Drei Jahre Gymnasium, Abitur „ylioppilastutkinto“ in Klasse 12
- oder Besuch einer Berufsschule.
Es gibt keine standardisierten Tests außer dem Abitur am Ende. Heraussticht gleich, die Schüler bleiben lange zusammen, Klassenverbände werden nicht alle paar Jahre aufgebrochen. Besonders toll finde ich, dass dies alle Kinder einschließt, mehr zum Inklusionsaspekt liest du im Text.
Das finnische Schulsystem ist übrigens gar nicht so alt. Erst in den 1970ern wurde das Gesamtschulsystem eingeführt. Davor war Schule vom mittelalterlichen Denken in Klassenunterschiede geprägt, das nordische Modell diente als Vorbild für die Neuerungen. Bildung sollte für alle ein gleich zugängliches Gut sein.
Die vier Geheimnisse von Finnlands erfolgreichem Schulsystem:
- Gleiche Möglichkeiten für alle, überall.
- Unterstützung beim Lernen.
- Hohe pädagogische Philosophie und Ethos.
- Wertschätzung des Lehrerberufs.
Gleiche Möglichkeiten für alle, überall:
Die Wahl der Schule ist unwichtig, alle funktionieren nach dem gleichen Prinzip und ermöglichen gleiche Bildungschancen. Die Entscheidung für eine Schule hat also nichts mit der Qualität zu tun, sondern zum Beispiel mit der Nähe zum Wohnort. Es soll keinen Unterschied machen ob ein Kind in Lappland oder in Helsinki zur Schule geht.
Der familiäre, monetäre Hintergrund eines Kindes und die schulische Leistung hängen oft zusammen, doch in Finnland ist dieser Unterschied geringer als in anderen Ländern.
Es ist nicht einfach und schnell umsetzbar ein gerechtes Schulsystem für alle zu schaffen. Die Umsetzung sollte als eine konstante Entwicklung verstanden werden.
Unterstützung beim Lernen:
Schaut man sich den Sonderpädagogikbereich in anderen Ländern an, ist dieser oft ein seperater Sektor. Leider geht es in vielen Ländern um Reparatur. In Finnland wird klar auf Prävention gesetzt.
Hilfe gibt es sofort, wenn sie benötigt wird. Allen Kindern soll eine gleiche Bildung ermöglicht werden. Inklusion ist Teil des Schulalltages, einige Kinder bekommen eine persönliche Schulassistenz an ihre Seite oder auf sie abgestimmte Unterstützung der Lehrer. (Das Modell der persönlichen Assistenz gibt es schon in Kindergärten.) Schüler, die Hilfe brauchen werden mitgenommen, nicht stehen gelassen. (Passender Artikel dazu bei Spiegel Online nachzulesen.)
Auch für ganze Schulen, sind sie zum Beispiel in einem bestimmten Berzirken gibt es besondere Unterstützung.
Hohe pädagogische Philosophie und Ethos.
Für Finnland ist globales Lernen von hoher Bedeutung, weltweite Trends und Ideen werden auf das nationale Nutzen abgestimmt.
Lehrer werden als Forscher betrachtet, die sich kontinuierlich weiterbilden sollen. Es wird erwartet, dass sie Neues dazu lernen um auf dem aktuellen Stand der Gesellschaft, ihrer Fächer, Lehrmethoden und vor allem dem ihrer Schüler zu sein.
Schule ist umsonst, Bildung wird nicht als Ware verstanden.
Wertschätzung des Lehrerberufs:
Diesen Punkt empfinde ich besonders wichtig und entscheidend.
Das Lehrerstudium ist auf Master-Ebene, es wird ausgewählt, wer einen Studienplatz bekommt. Man muss sich bewerben und nicht jeder kann Lehrer werden. Dieser Vorgang siebt natürlich aus. Manche, weniger Motivierte bewerben sich vielleicht erst gar nicht. Das Auswahlverfahren steigert die Motivation und spornt an einen Studienplatz zu erhalten und seine Sache gut zu machen. Die Masterarbeit bildet einen Grundstein für den Aspekt des kontinuierlichen Forschungsgedanken, wie oben bereits beschrieben.
Lehrer erfahren ein hohes Ansehen in der Gesellschaft, was ich richtig finde. Es geht nicht darum, sie als bessere Menschen zu sehen. Doch darum, ihnen die Kompetenz zuzusprechen, dass sie einen guten und wichtigen (!) Job tun. Der Lehrerabschluss soll genauso, wie ein Abschluss in Jura, Wirtschaft oder dergleichen angesehen werden.
Aus eigenen Erfahrungen aus dem Kindergarten kann ich dies unterschreiben. Es motiviert zu hören, dass Eltern die eigene Arbeit wertschätzen und nicht denken: „Die hängen da halt so mit den Kindern rum.“ Wie in vielen Bereichen, liegen hinter pädagogischen Berufen viel Hintergrundarbeit und Planung, die oft verborgen bleibt.
Finnlands Schulsystem – weitere Fragen?
Das war wirklich nur ein kurzer Einblick, zu Recht gibt es Bücher, Artikel und Studien zu Finnlands Schulsystem. Ich hoffe, ich konnte dir einiges näher bringen, was du so noch nicht wusstest. Welches Thema oder Aspekt des Schulsystems würde dich in einem gesonderten Artikel besonders interessieren?
Hast du Fragen? Gibt es etwas das dich besonders interessiert? Wie wäre es mit Literaturtipps (auf Englisch)?
Alle Bilder via Pixabay (Bild 1, Bild 2).
Ich finde das sehr interessant. Ich wäre auch schon lange dafür, dass die Schüler nicht schon in der 4ten Klasse entscheiden müssen, welchen Weg sie gehen wollen. Das ist viel zu früh.
Mein Mann und ich witzeln öfter mal herum, dass wir doch nach Finnland auswandern sollten (vorallem, weil er auch einen finnischen Arbeitgeber hat). Und der Gedanke kommt uns zur Zeit tatsächlich immer öfter.
LG, Tina
Genau und oft fängt der Leistungsdruck auf welche Schule es nach der 4ten gehen soll schon in der 1. Klasse an. 🙁
Mit einem finnischen Arbeitgeber und somit Jobaussichten klingt es gar nicht so unrealistich. 🙂 Sonst wird Auswanderern eher abgeraten, es ist derzeit nicht einfach einen Job zu finden. Aber gut durchdacht ist es definitiv eine Idee und machbar. 🙂
Viele Grüße,
Lara
Hallo Lara, ein sehr spannender Artikel. Ist in Finnland Freilernen erlaubt? Unschooling oder Homeschooling? Das würde mich sehr interessieren denn wir suchen aktuell noch nach schönen Wohnorten (einem schönen Land) in dem wir so leben können. Vielleicht magst Du ja auch mal einen Gastbeitrag bei mir schreiben?
Viele Grüße
Sarah
Hallo Sarah,
ich bin da nicht so die Expertin, weil es mich nicht betrifft. Aber soweit ich weiß, wäre es theoretisch möglich. Zum Beispiel, wenn man in Lappland wohnt und es von dort zu weit zum Gymnasium ist.
Finnland ist ein tolles Land und hier wohnt es sich als Familie ganz wunderbar. Aber wie es immer ist, ein Umzug ist nicht mal so leicht zu machen. Man muss ja auch von etwas leben und Arbeit finden. Aber bei Interesse beantworte ich dir gerne ein paar Fragen und wenn du eine Themenidee oder Wunsch hast für einen Gastbeitrag kannst du mich auch gerne anmailen. 🙂
Liebe Grüße,
Lara